Bedeutende Reden und große Worte tragen oft erheblich zum Ruhm und Nachruhm berühmter Männer und Frauen bei, umso mehr, wenn diese dann auch Wirkung entfalten. Da wir hier über Raumfahrt reden, sei einmal mehr der kleine Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit zitiert, den Neil Armstrong 1969 bei seinem Hüpfer von der untersten Sprosse der Leiter der Mondfähre Eagle über Funk ins Kontrollzentrum der NASA nach Houston und von dort in alle Welt funkte. Oder davor 1961 Juri Gagarins Pojechali (auf geht's!).
Heute jähren sich zum sechzigsten Male andere berühmte „Raumfahrt“-Worte, die dem 2012 verstorbenen Neil Armstrong den 'giant leap' überhaupt erst ermöglicht hatten - ausgesprochen vom amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy bei einer gemeinsamen Sitzung von Senat und Repräsentantenhaus, also dem US-Kongress, am 25. Mai 1961: "I believe that this nation should commit itself to achieving the goal, before this decade is out, of landing a man on the moon and returning him safely to the earth", also einen Amerikaner auf dem Mond zu landen und ihn sicher zur Erde zurück zu bringen noch bevor das Jahrzehnt zu Ende gegangen ist. Die Vorgeschichte und der Nachhall dieser vor 60 Jahren in Washington im Kongress gehaltenen Rede sind einige der wichtigsten Kapitel der Raumfahrtgeschichte ('JFK' hatte noch vier andere Worte in die Welt gesetzt, die wir als Deutsche so sehr lieben und in seiner unvergleichlichen, englisch untermalten Betonung nachahmen: Ish bin ein Bealeener. So steht’s in seinem Manuskript, das war zwei Jahre später an der Seite von Willy Brandt vor dem Schöneberger Rathaus in Berlin.)
Die Welt zwischen 'kaltem' und 'heißem' Krieg
Es waren politisch, gesellschaftlich und wissenschaftlich-technologisch bewegte Zeiten, die frühen 1960er-Jahre. Nach dem an zwei Fronten gewonnenen Zweiten Weltkrieg hatten die USA immer noch alle politischen und militärischen Hände voll zu tun, ihre Interessen in den Griff zu bekommen. Nachdem mitten in Europa der von Großbritanniens Premierminister Winston Churchill schon 1945 prophezeite 'Eiserne Vorhang' niedergegangenen war, wollten sie ihren Status als neue Weltmacht festigen und den ausgreifenden Kommunismus eindämmen. Dazu führten sie beispielsweise von 1950 bis 1953 den Koreakrieg mit Chinas Mao Tse-Tung. Dieser Konflikt wurde nur wenige Jahre später vom Vietnamkrieg abgelöst und verleitete die USA vor allem in den 1960er-Jahren zu einem, nennen wir es, sehr grenzwertigen militärischen Engagement. Zuvor begab sich quasi 'im Hinterhof' der USA das abgewirtschaftete, karibische Kuba unter die Fittiche der Sowjetunion, und auch in der Suezkanal-Krise hatte der Westen einen kleinen Stellvertreterkrieg zu bewältigen. Die Welt war zweigeteilt, nervös, und der sich dadurch manifestierende "Kalte Krieg" drohte nicht nur einmal zu einem realen Krieg zu eskalieren.
Die Raumfahrt, vor allem die noch junge Raketentechnik, spielte dabei keine kleine Rolle. Als die Sowjetunion mit dem piepsenden, die Erde umkreisenden Satelliten Sputnik 1 bewies, dass sie über Trägerraketen verfügte, die nicht nur zum Geowissenschaftlichen Jahr 1957 wissenschaftliche Nutzlasten in eine Umlaufbahn bringen konnten, sondern diese 'Nutzlast' theoretisch auch ein Nuklearsprengkopf sein könnte, verursachte das in den USA große Sorgen, bei manchem sogar richtige Angst.
Das Erbe der deutschen Kriegsraketentechnik
Die während der nationalsozialistischen Schreckenszeit im Deutschen Reich entwickelten Trägersysteme vom Typ 'Vergeltungswaffe 2', die berüchtigte V-2, verbreiteten mit ihren auf London und Antwerpen geschossenen Sprengköpfen üblen Kriegsterror. Entwickelt hatte sie "Raketen-Mephisto" Wernher von Braun, ein technisches, aber zumindest in jener dunklen Zeit gewissenloses Genie, weil er wusste, dass zur Verwirklichung seiner Ziele Zwangsarbeiter eingesetzt wurden und dabei in großer Zahl starben. Auch seine Raketen brachten Tod und Zerstörung, kriegsentscheidend waren sie indes nicht. Aber sowohl die UdSSR als auch die USA sicherten sich die Technik und die dahinterstehenden Ingenieure und Entwickler als 'Kriegsbeute' (von Braun wechselte freilich sehr freiwillig am 3. Mai 1945 in Tirol mit einer großen Mannschaft an Ingenieuren in der Operation Paperclip die Seiten; "jetzt möchte ich mal auf der Seite der Sieger stehen") und entwickelten die Raketen weiter. Zu militärischen, aber auch zu zivilen Zwecken. Indes: Dwight D. ('Ike') Eisenhower, amerikanischer Präsident von 1953 bis 1961 war kein großer Anhänger der militärischen Nutzung von Raketentechnik und unterstützte die frühen amerikanischen Raumfahrtprojekte nur halbherzig: Forschung und Wissenschaft - ja; Prestige und Rüstung - nein. Er sah im Vorsprung der UdSSR auch keine echte Bedrohung. Von Braun spielte lange keine Rolle.
Eisenhower, vor allem aber sein Nachfolger John F. Kennedy und sein Vize Lyndon B. Johnson, wurden jedoch von der Realität überholt. Die Geschichte ist hinlänglich bekannt; in Stichworten: Die UdSSR sendete vor den USA Lebewesen ins All (die Hündin Laika, 1957), Raumsonden zum Mond (1959) und zur Venus (Februar 1961), und mit Juri Gagarin gelangte am 12. April 1961 zum ersten Mal ein Mensch ins Weltall und umkreiste in einem 106minütigen Flug die Erde. Auch dieses epochale Ereignis fand vor 60 Jahren statt und wurde jüngst ausführlich medial gewürdigt. Der wenige Wochen vor Gagarins Husarenritt in sein Amt eingeführte US-Präsident Kennedy jedoch war 'not amused' und sah sich veranlasst, darauf zu reagieren. Diese Reaktion kam verbal eben am 25. Mai 1961 und hatte es in sich; hier die Vorgeschichte.
Es war nicht so, dass die USA in den späten 1950er-Jahren tatenlos waren und der UdSSR beim Ausbauen ihres Weltraum-Vorsprungs nur zusahen. Doch zum einen waren die Anstrengungen etwas halbherzig (und von technischen Rückschlägen gezeichnet), zum anderen war der politische Wille von Eisenhower, es auf dem Gebiet der Raumfahrt mit der UdSSR aufnehmen zu wollen, nicht besonders ausgeprägt. Die NASA, die spätere Weltmarke Nr. 1 in Sachen Raumfahrt (ESA, DLR & Co. mögen mir diese Einschätzung nachsehen), wurde Mitte 1958 gegründet. Noch vor dem Jahreswechsel drückte der erste Administrator Thomas K. Glennan aufs Tempo: Mit dem Mercury-Programm wollten die USA, durchaus ehrgeizig, einen Menschen erstmals ins All bringen. Das war zwar nicht das, was sich Eisenhower vorgestellt hatte, aber da das Nationale Gesetz für Aeronautik und Raumfahrt nicht spezifisch festlegte, was denn die Aufgabe der NASA nun sei, handelte diese und schuf Tatsachen. Am 9. April 1959 wurden erste potentielle sieben Astronauten der Öffentlichkeit vorgestellt, die berühmten Mercury Seven oder Original Seven. Das offizielle Gruppenfoto der ersten NASA-Astronautengruppe mit den silbern glänzenden Astronautenanzügen ist eine Ikone.
1959: Frühe Mondträume
Ende Mai 1959 tagte im Ames-Forschungszentrum bei San Francisco ein Komitee, das die NASA-Ziele etwas konkreter formulieren sollte. Man höre und staune, diese Ideen kamen dabei heraus: 1. ein kleines Labor in die Erdumlaufbahn bringen, 2. eine größere, permanente Raumstation entwickeln, 3. Flüge um den Mond herum und in den Mondorbit, und 4., festhalten! eine Landung auf dem Mond. Tatsächlich gab es in jenen Jahren elaborierte Pläne, wie das bewerkstelligt werden könne. Wieder muss der Name Wernher von Braun genannt werden, der nicht nur Ideen dazu entwickelte, sondern ganz konkret ihre mögliche Umsetzung berechnet und vor allem einen Plan für eine starke Trägerrakete hatte, die spätere Saturn V. Doch dafür war es noch zu früh.
Erstmals fiel der Name Apollo im Sommer 1960. Allerdings sah es Präsident Eisenhower gar nicht gerne, dass ein ehemaliger Nazi-Ingenieur in den USA eine führende Rolle bei einem technologischen Großprojekt einnehmen könnte. Und: Eisenhower verfügte noch in seinem vorletzten Amtsjahr, dass die Mittel für die NASA gekürzt werden, sobald sie den ersten Astronauten ins All gehievt hätte: "…no funding beyond Mercury, I refuse a three-person 'Apollo' spacecraft!" Eine leistungsfähige Trägerrakete sollte allenfalls schwere Nutzlasten in den Erdorbit transportieren. Nur, die existierenden Raketen waren notorisch unzuverlässig.
Übrigens existieren zu den frühen Mondlandeplänen großartige Konstruktionszeichnungen - und diese sind sogar in Deutschland gelandet: Im Hermann-Oberth-Museum in Feucht bei Nürnberg, dem Alterssitz des genialen, aus Siebenbürgen stammenden Raketenpioniers, wird ein echter Schatz der jungen Raumfahrtjahre aufbewahrt: Dutzende von Zeichnungen in brillanter, filigraner und ingenieurmäßig präziser Ausführung zeigen, wie sich die NASA einen Mondflug vorstellte. Erste Entwürfe einer Kommandokapsel. Das Missionsszenario, das jenem der späteren Apollo-Missionen schon ziemlich nahekam. Die großformatigen Bögen zeichnete Willard M. Taub für die NASA. Taub und sein Zwillingsbruder Bill Taub, dem wir unzählige wunderbare Fotografien aus der Apollo-Ära verdanken, stammten wie Oberth aus Siebenbürgen. Willard Taub verstarb 1997, zuvor vermachte er seine Originalzeichnungen dem Museum. Dort wird die einmalige Sammlung gehütet wie der Heilige Gral. Jeder Technikbegeisterte sinkt beim Anblick der Zeichnungen auf die Knie.
'Iwan' - und wegweisende personelle Rochaden
1960/61 stand ein Präsidentenwechsel an. John F. Kennedy, dieser charismatische, so lebenslustige, moderne und doch von permanenten Rückenproblemen geplagte (und sie verheimlichende) Kandidat der Demokraten, hatte mit Raumfahrt nicht viel am Hut. Als Senator war Kennedy wegen der hohen Kosten der bemannten Raumfahrt gegenüber kritisch eingestellt. Im Wahlkampf spielte sie dennoch eine Rolle. Unter anderem rief er im Herbst 1960 vom Rednerpult in die Menge: "Wir befinden uns in einem strategischen Rennen mit den Russen um die Vorherrschaft im Weltraum. Und wir verlieren dieses Rennen. Sollte ein erster Mensch in diesem Jahr ins Weltall gelangen, dann wird sein Name ‚Iwan‘ sein! Wer die Kontrolle über das Weltall hat, der hat auch die Kontrolle über die Erde!"
Ein personeller Glücksfall für die damalige Raumfahrt in den USA war die Besetzung des Postens des Vizepräsidenten mit Lyndon B. Johnson. Der Texaner war ein Befürworter der Raumfahrt und forderte gleich nach dem Regierungswechsel mehr Mittel. Bald schon sägte er mit JFKs Placet den zögerlichen Vorsitzenden des Weltraumkomitees, Jerome B. Wiesner, ab. Er war noch ein Eisenhower-Mann, der nach Mercury alle Aktivitäten in der bemannten Raumfahrt stoppen wollte. Auch die murrenden Sky Scientists, Physiker, die zu Beginn des Raumfahrtzeitalters eigentlich nur Experimente zur Strahlungsumgebung und den Teilchen in der Nähe der Erde durchführen wollten (wozu man keine Astronauten brauchte), schwenkten zwar nicht um, aber legten dieser 'neuen' Raumfahrt nun auch keine Steine mehr in den Weg. Einige sahen auf einmal sogar viele Möglichkeiten für große Wissenschaft, robotisch, oder - in der Erdumlaufbahn und vielleicht sogar am Mond - auch mit Astronauten.
Bis zum Ende der 60er-Jahre sollte das NASA-Budget sechs Milliarden Dollar umfassen. Es wurde schon bald sehr, sehr, sehr viel größer. Zunächst setzte der ausgefuchste Johnson dem Senat im März 1961 das Messer auf die Brust und forderte einen höheren Etat, "weil uns sonst die Russen in den nächsten zehn Jahren bei jeder erdenklichen Aktivität im Weltraum voraus sein werden." Klare Ansage. Genehmigt.
Nach Glennan wurde James E. Webb neuer NASA-Administrator, kein Wissenschaftler, kein Ingenieur, aber ein genialer Organisator, Geldbeschaffer, Manager und Netzwerker (das in diesem Jahr 2021 endlich ins All fliegende James-Webb-Weltraumteleskop ist nach ihm benannt; vermutlich hätte er selbst es nicht glauben können, dass zu dessen Bau anderthalb Jahrzehnte benötigt wurden). Nach 'LBJ' die zweite wichtige Personalie, die der astronautischen Raumfahrt in den USA den Weg bereitete. Webb war aus Sicht der Administration genau der richtige Mann, der die Antwort, die "Attacke auf die UdSSR" (Mondgeologe Don E. Wilhelms) in der Raumfahrt organisieren müsse. Im März 1960 bekam Wernher von Braun grünes Licht und die Mittel an die Hand, die Saturn V zu entwickeln. Zu welchem konkreten Zweck war noch nicht klar.
Anfang 1961 überschlugen sich die Ereignisse, die Geschichte der Raumfahrt hätte sogar ganz anders verlaufen können. Zu Beginn seiner Amtszeit schlug Kennedy der Sowjetunion vor, in der Raumfahrt zu kooperieren, was diese jedoch ablehnte. Zuvor, noch 1960, wurde Alan Shepard von Bob Gilruth, dem charismatischen ersten und langjährigen Direktor des NASA Manned Spaceflight Center in Houston aus den Original Seven für den ersten Raumflug eines Amerikaners nominiert. Dieser Flug hätte auch schon 1960 stattfinden sollen, wurde jedoch immer und immer wieder aus den unterschiedlichsten, meist technischen Gründen verschoben. Mehrmals von Anfang 1960 auf Mitte Januar 1961. Dann auf den 6. März. Dann kam der 12. April, und die Welt erfuhr, dass Juri Gagarin der erste Mensch im All war: too late. Das war für die NASA und die USA niederschmetternd. Kennedy sah das Prestige der Nation schwer angekratzt, und das sollte natürlich repariert werden.
Tags darauf: sechsköpfiges Krisentreffen im Oval Office. Kennedy fragte in die Runde: Wie können wir die Russen noch überholen? Eine Raumstation im Orbit? Wahrscheinlich würde die UdSSR wieder schneller sein. Zum Mond? Aber das würde vielleicht 40 Milliarden Dollar kosten. JFK schien bereit, jeden Preis zu zahlen - Hauptsache Erfolg. Denn der Mond würde bedeuten: Die USA hätten etwas Zeit gewonnen. Als die Runde aufgelöst war, verweilte Kennedys enger Berater und Redenschreiber Theodore Sorensen (Kennedy: meine intellektuelle Blutbank) noch im Büro und im Raum stand die Ansage: Wir fliegen zum Mond! Noch wollte sich Kennedy nicht festlegen und verfasste am 20. April ein heute geradezu legendäres Kurzmemorandum an seinen Vizepräsidenten (siehe Bild), nur fünf Punkte, knapp wie es knapper nicht geht und eine Mahnung an alle Verfasser von Rasenmäherlautstärke- und Gurkenkrümmungsgradverordnungen. Vielleicht der atemraubendste Satz: "Arbeiten wir 24 Stunden am Tag an bestehenden Projekten? Wenn nicht, warum nicht?"
Es gab für Kennedy in diesen Tagen noch eine andere große Sache, höchst unangenehm: Am 17. April, fünf Tage nach Gagarins Erdumrundung, landeten 1300 vom amerikanischen Geheimdienst CIA unterstützte Exilkubaner an der Südküste Kubas und wollten mit der als "Invasion in der Schweinebucht" berühmt-berüchtigt gewordenen Militäraktion das kubanische Regime unter dem Máximo Líder Fidel Castro stürzen. Kennedy behauptete gegenüber seinem sowjetischen Gegenspieler Nikita Sergejewitsch Chruschtschow, dass die amerikanische Regierung damit nichts zu tun hätte, musste aber genau dies drei Tage später, als die Invasion gescheitert war, vor der Weltöffentlichkeit zugeben. Große Blamage! Seine Regierungszeit war da gerade mal drei Monate alt (und die 'große' Kubakrise im Oktober 1962 sollte erst noch kommen.)
Am gleichen Tag, dem 20. April, also auch das Memorandum an LBJ. Es gibt Tage, da ist eben etwas mehr auf der Agenda, und so hatte JFK vermutlich an jenem denkwürdigen, ereignisreichen Donnerstag etwas später Feierabend - bedauernswerte First Lady Jacky K. Immerhin ging es die Tage in Sachen Raumfahrt etwas aufwärts. Schon am nächsten Morgen sprach er zu einer Reihe von Journalisten und brachte erstmals den Mond ins Spiel, was allerdings keine große Resonanz hervorrief: "If we can get to the Moon before the Russians, then we should" (Wenn wir vor den Russen auf dem Mond sein können, dann sollten wir es versuchen.) Johnson beriet sich, wie gefordert, intensiv mit den wichtigsten Leuten bei der NASA und auch mit der Industrie.
Er hatte schließlich längst eine andere große Sorge: Vielleicht würde die Sowjetunion versuchen, zum 50. Jahrestag der Oktoberrevolution Kosmonauten auf dem Mond zu landen? Das wäre 1967. Die Sorgenfalten auf seiner markanten Stirn waren nun gewiss besonders tief. Beratungen, Gedankenspiele, Beratungen (das Wort brainstorming gab es noch nicht…). Würde es sich die NASA zutrauen, Menschen auf den Mond zu bringen? Und natürlich auch zurück? Vieraugengespräch mit von Braun mit dem Ergebnis einer Art Yes we can! Doch es waren nicht zuvorderst Ingenieure, sondern auch Manager und Politiker, denen Johnson am 24. April die Gretchenfrage stellte: "We’ve got a terribly important decision to make. Shall we put a man on the Moon?" (Wir müssen eine verdammt wichtige Entscheidung treffen. Sollen wir einen Menschen zum Mond fliegen?) Ihm schlug ein einstimmiges Ja entgegen. Johnsons knappe Antwort: Danke. Am 29. April erhielt Kennedy von Johnson schriftlich und ebenso knapp Antwort auf sein Memorandum.
Immerhin: auch die USA 'berühren' jetzt das Weltall
Am 5. Mai 1961 endlich der erste bemannte amerikanische Raumflug. Alan Shepard 'berührte' in seiner Raumkapsel Freedom 7 bei einem suborbitalen viertelstündigen Flug in 187 Kilometer Höhe das Weltall. John F. Kennedy gratulierte persönlich. Und setzte sich - so stellen wir uns das nun mal vor - an seinen riesigen Schreibtisch, unter dem, wie in einem berühmten Foto zu sehen, Sohnemann John Kennedy Jr. zu Füßen des Herrn Papa herumkrabbelt und fröhlich grinsend hervorlugt. JFK verfasste die Rede, die er in drei Wochen vor den beiden Häusern des Parlaments halten würde. Wie viele Reden Kennedys war auch diese rhetorisch brillant und geschliffen formuliert, ohne Spielraum für Missverständnisse.
Die Reaktion darauf, insbesondere den wichtigsten Passus - wir sollten noch vor dem Ende des Jahrzehnts einen Menschen auf dem Mond landen und ihn sicher wieder zur Erde zurückbringen - war überraschend verhalten. Vielleicht haben die Abgeordneten und Senatoren erst einmal heftig schlucken müssen, weil sie die Trageweite des Projekts erahnten (oder auch nicht), insbesondere, was das für den US-Haushalt die nächsten sieben, zehn Jahre bedeuten würde (die Vereinigten Staaten haben es überlebt).
Nun war es in der Welt. Amerika würde zum Mond fliegen, und als Vorreiter der freien Welt sollen alle verfolgen können, wie das passieren wird. Das ehrgeizige Projekt Apollo nahm seinen sagenhaft erfolgreichen Lauf. Im Juli 1961 gab der Senat die gewünschten Mittel frei. Am 20. Februar 1962 umrundete John Glenn als erster Amerikaner in einer Mercury-Kapsel die Erde. Ende 1962 war alles für die Mondlandung geplant, noch waren es sieben Jahre bis zum Ablauf der sportlichen Zielmarke. Es folgten die erfolgreichen Tests im Erdorbit mit den Gemini-Missionen, bei denen sich zukünftige Mondfahrer ihre Meriten verdienten und die essentiell wichtigen Rendezvous-Manöver geübt wurden. Robotische Ranger, Lunar Orbiter und Surveyor-Sonden erkundeten den Mond. Zeitweise arbeiteten vierhunderttausend Menschen an Apollo. Geld? Spielte keine Rolle.
John F. Kennedy wurde am 22. November 1963 ermordet, Lyndon B. Johnson am gleichen Tag sein Nachfolger bis Januar 1969. Am 16. Juli 1969 war er als stolzer Beobachter beim Start von Apollo 11 dabei; sein Nachfolger Richard Nixon empfing die Crew nach ihrer Rückkehr vom Mond acht Tage später auf dem Flugzeugträger USS Hornet.
…before this decade is out…
Sieben Astronauten starben auf dem Weg zur ersten Mondlandung - alle auf der Erde: Theodore Freeman 1964 bei einem unverschuldeten, sowie Elliot See und Charles Bassett 1966 bei einem Flugzeugabsturz, den sie selbst verursacht hatten, und Clifton Curtis 'CC' Williams wiederum unverschuldet bei einem Crash mit dem Jet im Oktober 1967. Vor allem aber schmerzte der Unfall von Gus Grissom, Ed White (der erste Amerikaner, der einen Außenbordeinsatz im All absolvierte) und Roger Chaffee, die bei einem Countdown-Test in der Kommandokapsel von Apollo 1 am 27. Januar 1967 auf der Startrampe in einem Feuer in der Kabine einen grausamen Tod starben. Dass die Crew von Apollo 13 (Lovell, Swigert, Haise) nach der Explosion eines Sauerstofftank kurz vor dem Mond heil zurückkehrte, grenzte an ein Wunder. 24 Astronauten waren zwischen 1968 und 1972 an, und davon ein Dutzend auf dem Mond.
Mit dem berühmten ersten Satz der Rede von JFK am 25. Mai 1961 im Kongress also begann der lange Weg zum "giant leap for mankind". Weitere Teile dieser Rede, die nicht minder interessant sind, möchte ich zum Ende dieses Beitrags aufführen:
"First, I believe that this nation should commit itself to achieving the goal, before this decade is out, of landing a man on the moon and returning him safely to the earth.
No single space project in this period will be more impressive to mankind, or more important for the long-range exploration of space; and none will be so difficult or expensive to accomplish. We propose to accelerate the development of the appropriate lunar space craft. We propose to develop alternate liquid and solid fuel boosters, much larger than any now being developed, until certain which is superior. We propose additional funds for other engine development and for unmanned explorations – explorations which are particularly important for one purpose which this nation will never overlook: the survival of the man who first makes this daring flight. But in a very real sense, it will not be one man going to the moon-if we make this judgment affirmatively, it will be an entire nation. For all of us must work to put him there.
…
Let it be clear-and this is a judgment which the Members of the Congress must finally make-let it be clear that I am asking the Congress and the country to accept a firm commitment to a new course of action, a course which will last for many years and carry very heavy costs: 531 million dollars in fiscal '62 - an estimated seven to nine billion dollars additional over the next five years. If we are to go only half way, or reduce our sights in the face of difficulty, in my judgment it would be better not to go at all.
Now this is a choice which this country must make, and I am confident that under the leadership of the Space Committees of the Congress, and the Appropriating Committees, that you will consider the matter carefully.
It is a most important decision that we make as a nation. But all of you have lived through the last four years and have seen the significance of space and the adventures in space, and no one can predict with certainty what the ultimate meaning will be of mastery of space.
I believe we should go to the moon. But I think every citizen of this country as well as the Members of the Congress should consider the matter carefully in making their judgment, to which we have given attention over many weeks and months, because it is a heavy burden, and there is no sense in agreeing or desiring that the United States take an affirmative position in outer space, unless we are prepared to do the work and bear the burdens to make it successful. If we are not, we should decide today and this year."
- Die Rede vor dem Kongress ist auf den Seiten der JFK Library - einem beeindruckenden Museum bzw. Dokumentationszentrum vor den Toren von Boston, in Wort und bewegten Bildern abrufbar
- Die für viele Apollo-Enthusiasten beeindruckendere, weil von großer Begeisterung getragene Rede Kennedys "Why we chose to go to the moon", hielt der US-Präsident am 12. September 1962 nach der Einweihung des NASA-Zentrums in Houston an der nahe gelegenen Rice University - sehr empfehlenswert: zur Rede in Textform, als Audio und Video.
Hintergrundinformationen und Quellen:
- Paving the Way for Apollo 11, David M. Harland, 2009 (Springer), 472 pp. (hieraus die meisten, dort mit Quellenangaben versehenenen Zitate)
- A Man on the Moon, Andrew Chaikin, 1999 (Time Life), 3 Bände
- To a Rocky Moon, Don E. Wilhelms, 1993 (The University of Arizona Press), 527 pp.
- JFK Library https://jfklibrary.org
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